Nach Gänsebraten, Klößen, Raclette und Torte fühlt sich der Körper am 2. Weihnachtstag oft träge an. Der klassische Verdauungsspaziergang gilt seit Generationen als Gegenmittel gegen Völlegefühl und Müdigkeit. Tatsächlich ist seine Wirkung gut erklärbar und deutlich weniger esoterisch, als manche vermuten. Schon ein lockerer Spaziergang nach dem Essen beeinflusst nachweislich die Verdauungsphysiologie und den Stoffwechsel, und zwar nicht nur bei Gelegenheitssportlern, sondern auch bei gut trainierten Athleten.
Was im Körper wirklich passiert
Nach einer großen Mahlzeit wird ein erheblicher Teil des Blutvolumens in den Magen-Darm-Trakt umverteilt, um die Verdauung zu unterstützen. Bleibt man anschließend lange sitzen oder liegt sogar, kann dies die Magenentleerung verlangsamen und das typische Druck- und Völlegefühl verstärken. Leichte Bewegung aktiviert dagegen die Darmmotilität, also die wellenförmigen Bewegungen des Verdauungstrakts. Studien aus der Gastroenterologie zeigen, dass moderates Gehen die Magenentleerung beschleunigen und Blähungen reduzieren kann, ohne die Verdauung zu „stören“.
Hinzu kommt ein messbarer Effekt auf den Blutzuckerspiegel. Bereits 10 bis 20 Minuten lockeres Gehen nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit senken die nach dem Essen auftretenden Blutzuckerspitzen.
Bringt das auch etwas für Sportler?
Für Sportler ist der Verdauungsspaziergang keineswegs überflüssig. Zwar ist ihr Stoffwechsel effizienter und ihre Insulinsensitivität meist besser als bei Untrainierten, doch gerade nach sehr großen, fettreichen Mahlzeiten reagiert auch ein trainierter Körper mit Trägheit. Ein lockerer Spaziergang wirkt hier wie eine aktive Regeneration. Er fördert die Durchblutung, unterstützt die Nährstoffverwertung und kann Muskelsteifheit reduzieren, ohne zusätzliche Trainingsbelastung zu erzeugen.
Wichtig ist die Intensität. Es geht nicht um Training, sondern um Bewegung. Ein Spaziergang im Bereich von etwa 2–4 km/h aktiviert den Stoffwechsel, ohne Stresshormone zu erhöhen oder die Verdauung umzulenken. Leistungsrelevante Nachteile sind nicht zu erwarten, im Gegenteil. Viele Athleten nutzen diese Form der Bewegung gezielt, um nach „Cheat Meals“ oder Feiertagen schneller wieder in ihr normales Körpergefühl zu kommen.
Unterm Strich ist der Verdauungsspaziergang weder Wundermittel noch romantischer Aberglaube. Seine Effekte sind klein, aber klar belegt: bessere Verdauung, stabilerer Blutzucker, subjektiv weniger Völlegefühl. Nach den Weihnachtstagen ist er deshalb eine einfache, niedrigschwellige Maßnahme mit realem Nutzen. Für Nicht-Sportler ebenso wie für ambitionierte Athleten.



